Die Evolution der Perforation - Bass Drum Löcher im Wandel der Zeit

Bis weit über die Hälfte des letzten Jahrhunderts hinaus, als die Bass Drum noch nicht Kick-Drum genannt wurde, war es absolut üblich Bass Drums mit einem geschlossenen Frontfell zu spielen. In Ermangelung vorgedämpfter Felle wie z.B. dem Evans EMAD oder dem Remo Powerstroke 3, wurden die Basstrommeln häufig mit unter den Fellen verlegten Filzstreifen gebändigt, sofern nicht bereits eine Art mechanischer Innendämpfer verbaut war. Auch wurden die Felle dieser Bass Drums in der Regel deutlich straffer (und somit tonal höher) gestimmt als in der späteren voll elektrifizierten Ära. Jazz Drummer die z.B. dem Bebop frönen und im Rahmen eines relativ leisen Akustik-Trios agieren, bevorzugen die geschlossene Variante auch noch in unserer Zeit und werden dies auch in Zukunft beibehalten.

Hier die "klassische" Variante mit einschichtigem Frontfell plus Filzstreifendämpfer:

Es gab dann andererseits, seit dem Aufkommen lauterer, elektrisch verstärkter Musik, natürlich auch absolute Rock-Ikonen wie John Bonham, die ebenfalls mit geschlossenen Bass Drums zu Werke gingen. Hauptunterschied zu den "leiseren" Bebop Schlagzeugern war in erster Linie das Kaliber der gewählten Fuß-Hupe. Von der eigentlichen Stimmungsmethode her unterschied sich Bonzos Bass Drum wohl nur marginal von der Basstrommel eines Buddy Rich oder Louie Bellson, nur war Mr. Bonhams Teil eben gute zwei bis vier Zoll größer (Im Durchmesser! Und ich spreche immer noch von Bass Drums! ;-) ) als bei den eben genannten Big Band Protagonisten. Bonhams "Bleifuß", seine überragende Spieltechnik und noch ein paar Faktoren bei der Mikrofonierung sowie Aufnahme seiner Drum Sets taten dann ein Übriges um die entsprechende Wucht des geradezu legendären Bonham-Sounds zu erreichen. Zusammenfassend, aber auch ein wenig verallgemeinernd, kann man also sagen, dass die klassische Rock Bass Drum der späten 60er bis frühen 70er jahre im Durchmesser 24 bis 26 Zoll war, jedoch nach wie vor, ebenso wie die kleinen 18 Zoll BeBop Bass Drums, nur 14" tief. Auch bei den Toms wurden bevorzugt große bis sehr große Durchmesser gewählt, aber darum soll es hier nicht gehen.

Die historische Entwicklung ist mir leider nicht detailliert genug bekannt, um hier einen exakten Zeitablauf der Bass Drum Evolution darstellen zu können, aber auf jeden Fall sah die nächste Phase in etwa folgendermaßen aus. Es wurde speziell in den angesagten Recording Studios jener Zeit eine Menge herum experimentiert und es stellte sich für viele Musikproduktionen offensichtlich als fruchtbar heraus, das Frontfell von der Bass Drum zu entfernen und gerne mal ein mächtiges Daunenkissen oder Ähnliches als Dämpfung in den Kessel zu legen. Die Band Supertramp nenne ich hier mal als Beispiel, da den Sound noch fast jeder im Ohr haben sollte. Der gute Bob Siebenberg hat mindestens bis einschliesslich "Breakfast in Amerika" die meisten Drum Tracks mit seinem Ludwig Set eingetrommelt, bei dem dann -zumindest im Studio- stets die Bass Drum vorne offen war.

Rein optisch sah das natürlich extrem garstig aus, weshalb man auf der Bühne dann gerne ein Alibi-Frontfell hatte, welches jedoch gleichzeitig mit einem übergroßen Loch versehen war und lediglich dazu diente, das Dämm-Material im Kessel zu halten. Das war sehr sehr lange die Methode der Wahl und die zahllosen Welthits dieser Epoche werden immer noch im Radio rauf und runtergedudelt. Die sogenannte "Kick-Drum" war somit geboren und ganze Heerscharen von Toningenieuren haben live und im Studio mit dem per Mikro aus der Bass Drum abgegriffenen Signal tolle Bass Drum Sounds kreiert, naja nicht immer, aber doch häufig. *g*  Größentechnisch hat sich in der zuletzt beschriebenen Ära 22 Zoll als Standarddurchmesser durchgesetzt, manchmal auch noch 24 Zoll, die Kessel der Bass Drums wurden gleichzeitig merklich tiefer. Tiefen von 16 bis 18 Zoll waren absolut angesagt. Wer es noch tiefer wollte, der "klebte" sich einfach zwei Bass Drums hintereinander (prominentestes Beispiel u.A. Alex Van Halen).

Der so erzielte, geradezu leblose und eigentlich ja völlig unnatürliche Sound wurde nach und nach vom einem moderneren, organischer und natürlicher rüberkommenden Sound abgelöst. Der Siegeszug vorgedämpfter Felle wie z.b. dem Powerstroke 3 von REMO (um nur den bekanntesten und nach wie vor beliebtesten Protagonisten zu nennen) war unaufhaltsam. Diese Felle ermöglichten den Drummern aus nahezu jeder Musikrichtung auf übermäßigen Einsatz vom Dämm- bzw. Dämpfmaterial zu verzichten. Gleichzeitig kam man nach und nach auf den Trichter, dass ein riesiges Kissen schlichtweg das Kesselvolumen einer Basstrommel zu halbieren vermag. "Schmutzwäsche gehört in die Waschmaschine und nicht in die Bass Drum" war das neue Motto. Ausserdem wurden die Löcher im Frontfell gleichzeitig deutlich kleiner, maximal 4 bis 5 Zoll, denn dadurch konnte man auch endlich wieder mit der Stimmung des Frontfells die Trommel tonal und klanglich beeinflussen.

Eine der aktuell gängigsten Kombinationen, Vorgedämpftes Frontfell (man beachte den durchscheinenden Dämpfring) plus 4,5" Loch und ein kleines Kissen im Inneren des Kessels:

Aktueller Stand ist neben der Beatmung durch ein kleines Loch im Frontfell auch durchaus wieder die Variante mit dem geschlossenen Fell, wobei die überwiegende Mehrzahl der Pop, Rock und auch Fusion oder Jazz-Drummer das Loch im Frontfell aus mehreren Gründen bevorzugt. Einerseits bleibt der Schlägel der Fußmaschine durch den sofortigen Druckausgleich besser am Fell und prallt nicht "schlecht kontrollierbar" zurück (es sei denn man will das, z.B. als Jazzer, oder wenn man eine Technik á la John Bonham bevorzugt und beherrscht) und zum Anderen ist eine mit Loch versehene Bass Drum in der Regel einfacher mikrofonierbar. Gleichzeitig kann man einfacher die Art und Menge des Dämm-Materials variieren ohne jedes Mal das Frontfell komplett entfernen zu müssen. Die Mehrzahl aktueller Schlagzeuge wird von den Herstellern zwar mit einem ungelochten Frontfell ausgeliefert, aber unseren Kunden bringen wir bei Übergabe ihres Sets meistens ein Loch in ihrer Wunschgröße an und ausserdem hat jeder Drummer so seine persönliche Präferenz bezüglich der Stelle wo das Loch hin soll.

Mein Fazit aus heutiger Sicht: "Anything goes" und erlaubt ist, was gefällt. Kurzum, bei uns im Drumladen stehen wir immer gerne beratend zur Seite, wenn ein Kunde einen bestimmten Sound sucht. Unter der Voraussetzung dass der Kessel es hergibt ist mit der richtigen Fellkombi und Dämpfmethode fast alles möglich.

Herzlichen Groove wünscht

Euer Henning

 

 

 

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